Einleitung
Vom 30.11.2016 bis zu den Brandenburger Sommerferien 2017 veranstaltet der FabLab Cottbus e.V. im Rahmen der Nachmittagsbetreuung der Wilhelm-Nevoigt Grundschule jeden Mittwoch einen Workshop. Dieser hat das Ziel, elektrotechnische Themen durch praktische sowie spielerische Betätigung zu vermitteln. Dies ist die Dokumentation der Workshopreihe.
Hintergrund und Entwicklung des Themas
Alles begann auf der Nacht der kreativen Köpfe, wo wir unsere Werkstatt präsentierten. Neben der Ausstellung aktueller Projekte konnten vor Ort kleine „Roboter“ gelötet und Taschen genäht werden. Die Rektorin der Wilhelm-Nevoigt Grundschule sprach uns auf
Grundlage dieser Darstellung an. Es ging also explizit darum, handwerkliche Betätigung in die Schule zu bringen, die über Schere und Papier hinaus geht. Aufgrund der Anzahl und der Regelmäßigkeit der
Veranstaltungen sowie des eigenen Anspruches, die Bauprojekte nicht nur nachbauen sondern auch rudimentär verstehen und in einen soziotechnischen Zusammenhang einordnen zu können, musste ein roter Faden her. Hinzu kam die Herausforderung, dass der Workshop, wie alle anderen Nachmittagsangebote auch, an einem Tag den Schülerinnen präsentiert werden sollte, damit sie ihre Wahl treffen können. Die Workshopreihe musste also einerseits aus handwerklichen Projekten
bestehen, die nach Spaß aussehen und andererseits einen Kausalzusammenhang haben, der den theoretischen und soziotechnischen Hintergrund praktisch erfahrbar macht (der in der Regel nicht nach Spaß aussieht).
Wir entschieden uns dafür, am Tag der Präsentation Bristlebots zu bauen und fahren zu lassen. Das sind einfachste Laufroboter, Zahnbürstenköpfe, auf denen Vibrationsmotoren aus alten Mobiltelefonen und Knopfzellen verklebt sind, die den Kopf sanft und verspielt über Oberflächen gleiten lassen. Diese „Roboter“ verbinden viele Aspekte: Sie funktionieren durch einen sehr einfachen Stromkreis sowie durch Teile, die im Alltag überall zu finden sind. Hinzu kommt, dass die Motoren aus alten Mobiltelefonen gewonnen werden müssen. Das bringt einerseits die Recycling-Thematik auf den Tisch. Andererseits bekommen die Schülerinnen dadurch einen Einblick in die Tatsache, dass ein Handy mehr als ein einzelner Gegenstand ist, nämlich eine in ein Gehäuse versammelte Anhäufung von Komponenten. Dieser Einblick ist der erste Schritt, um moderne Technik verstehen zu können. Die weiteren Themen der Workshopreihe waren durch die Komponenten des Bristlebots vorgegeben, denn er sollte ja auch ergründet werden. So ergaben sich folgende Themen: Strom, Stromkreis, Batterie, Motor (Ferromagnetismus, Elektromagnetismus (Spule)). Die Themen wurden so angeordnet, dass es immer wieder Höhepunkte gibt, um es nicht eintönig werden zu lassen, damit der Spaß nicht zu kurz kommt. Im Folgenden sind die einzelnen Themen in der behandelten Reihenfolge aufgelistet und inhaltlich dargestellt.
Rahmen
- Schüler*innen von der 2. bis zur 4. Klasse
- 3 Workshopleiter, im Wechsel 2 pro Veranstaltung
- Länge: 45 Minuten, immer Mittwochs
- ca. 30 Schüler*innen, zwei Gruppen (geteilt in Jüngere und Ältere, die im Wechsel kamen)
Inhalte
Strom/Spannung, die Schaltung (1)
Es wurde damit eingeleitet, dass wir ja eigentlich vor haben Bristlebots zu bauen. Weil wir es aber da mit Strom zu tun bekommen, wollen wir uns den zuvor gesondert anschauen. Ziel war es, eine Idee oder ein Gefühl für das zu bekommen, was der Strom-Spannungszusammenhang ist und wie ein Stromkreis verstanden werden kann, ohne über die Theorie zu sprechen. Einleitend verwendeten wir Luftballons, die an der Kleidung durch Reiben statisch aufgeladen wurden und dann an die Haare oder Arme gehalten werden konnten. Die Schüler*innen hatten großen Spaß daran, die statische Aufladung zu erforschen und ihre Kraft zu spüren. Dieses Video kann unterstützend zu dieser physischen Erfahrung gezeigt werden:
https://www.youtube-nocookie.com/embed/DMEVAlX_rd8
Danach wurden Batterien herausgeholt und erläutert, dass die Energie, die wir zuvor gespürt hatten, in diesen steckt und die Bots mit ihnen versorgt werden. Anschließend konnten die Schülerinnen sich selbst in Gruppen aufteilen. Jede Gruppe bekam eine Steckplatine, mit bunten Leuchtdioden, Batterie, Steckkabeln und Widerständen. Das Ziel war es, die Leuchtdiode zum Leuchten zu bringen und zu erforschen, was passiert, wenn ein Widerstand zwischen Batterie und Diode gelötet wird. Wir waren selbst überrascht, wie viel Spaß die Schülerinnen an diesem Vorhaben hatten. Danach wurde darauf hingewiesen, dass der Bristlebot ganz ähnlich mit der Batterie verbunden ist.
der Bristlebot (2-4)
Da die Schülerinnen sich wegen des Bristlebots angemeldet hatten, mussten wir frühzeitig mit diesen beginnen, weil sonst Erwartungen enttäuscht werden würden. Dazu ließen wir die Schülerinnen wieder Gruppen bilden. In der ersten Veranstaltung bekam jede Gruppe ein Mobiltelefon und Schraubendreher. Ziel war es, das Gehäuse der Telefone zu öffnen und den Vibrationsmotor gemeinsam zu finden. Damit die Schülerinnen wussten, wonach sie suchen, wurde ein ausgebauter Motor zu Anfang gezeigt. In der zweiten Veranstaltung konnten die Gruppen sich eine Zahnbürste aussuchen, von der der Kopf abgetrennt wurde. Anschließend löteten die Workshopleiter mit der Hilfe der Schülerinnen Kabel an die Vibrationsmotoren. Dabei wurde das Lötverfahren erläutert (die Schülerinnen durften aus Sicherheitsgründen nicht löten). Im nächsten Schritt konnten die Gruppen ihre Motoren mit Heißkleber auf die Zahnbürstenköpfe kleben. Beim dritten Treffen wurden Stabilisationsdrähte gebogen und ebenfalls auf die Zahnbürstenköpfe geklebt. Hinzu kamen Knopfzellengehäuse, die mit den Motoren verlötet und auch auf die Köpfe geklebt wurden. Danach konnten erste Tests gemacht werden. Ziel war es, dass die Bristlebots auf einer kleinen Rennstrecke eine Runde schaffen. Dafür experimentierten die Schülerinnen mit den Stabilisationsdrähten und versuchten ein gutes Gleichgewicht zu finden.
Ferromagnetismus (5)
Eingeleitet wurde mit den Worten, dass wir uns in der nächsten Zeit den Elektromotor auf den Bristlebots genauer anschauen und sogar einen eigenen bauen werden. Um das zu schaffen, würden wir uns vorher den Magnetismus anschauen, weil der das Drehen ermöglicht. Die meisten Schülerinnen hatten schon mal Magnetismus in der Schule oder privat behandelt. Um diese Kenntnisse aufzufrischen, konnten sich die Schülerinnen wieder in Gruppen aufteilen. Jede Gruppe bekam zunächst einen Magneten, mit dem sie folgende Experimente veranstalten konnte:
- Welche Materialien sind magnetisch? Jede Gruppe bekam ein Stück Plastik, Holz und verschiedene Metalle. Anschließend wurde gefragt, was die magnetischen Dinge miteinander gemeinsam haben.
- Wie reagieren zwei Magneten aufeinander? Die Gruppen bekamen einen zweiten Magneten und konnten die Anziehungs- und Abstoßungskräfte ergründen. Anschließend wurden sie gefragt, wie diese Kräfte auftreten.
- Was ist ein Magnetfeld? Die Schüler*innen konnten ihre Magneten an den Boden einer Plastikwanne halten und die Musterbildungen von Eisenstaub beobachten, der sich in dieser Wanne befand.
- Was ist der Nord- und Südpol eines Magneten? (Was ist ein Kompass?): Jeder Schülerin bekam ein Stück Styropor und einen magnetisierten Nagel, der in das Stück gesteckt wurde. In einer Wasserwanne konnten die Stücke dann getestet werden. Außen wurde ein Magnet an die Wanne herangeführt und dann gemeinsam die Ausrichtungsbewegung des schwimmenden Styroporstückes beobachtet.
Elektromagnetismus (6)
Um auf den Motor vorzubereiten, wurde vorgeführt, wie durch das Umwickeln von Draht um ein Stück Metall und das Anlegen einer Spannung ein Magnetfeld entsteht. Damit die Verbindung zum Ferromagneten ersichtlich wird, wurden beide anhand des Metallstaubes verglichen und es wurde gezeigt, dass sie sich gleichermaßen abstoßen sowie anziehen können. Damit dieses Prinzip auf die Drehbewegung des Motors übertragen werden kann, bauten wir im Lab eine spezielle Anordnung von Ferromagneten und Elektromagneten. Mit dieser Anordnung (sozusagen ein selbstgebauter Schrittmotor) konnten die Schüler*innen durch gezieltes Ein- und Ausschalten der einzelnen Elektromagneten gemeinsam eine Drehbewegung erzeugen. Diese Aufgabe zielte einerseits auf das gemeinsame Koordinieren von Bewegungen ab sowie andererseits auf das intuitive Nachvollziehen des Innenlebens eines Motors. Denn der Schritt, der normalerweise für den Beobachter unsichtbar ist - das Ein- und Ausschalten der Elektromagneten in einem Motor - wird so sichtbar und erfahrbar. Beim Nachbau dieser Anordnung sollte darauf geachtet werden, möglichst dünnen (beschichteten) Kupferdraht zu nehmen, da das Magnetfeld dann aufgrund der Möglichkeit, eine größere Anzahl von Wicklungen zu erzielen, stärker wird. Auch ein ausreichend starkes Netzteil ist wichtig (~ 5A). Die Elektromagneten sollten außerdem nicht senkrecht zur Kreisbahn angebracht werden, sondern leicht gekippt, damit eine zielgerichtete Drehbewegung erleichtert wird. Am Rotor in der Mitte ist an jeder Seite ein kleiner Ferromagnet angebracht.
der Elektromotor (7-10)
Nachdem die Schüler* innen die Bewegung eines Motors selbst erzeugt hatten, konnten sie nun einen eigenen bauen. Dafür wurden kleine Brettchen vorgebohrt, in die Leiter so eingefädelt werden konnten, sodass sie auf der einen Seite einen Träger für die selbstgebaute Spule bildeten und auf der anderen Seite eine Verbindung zur Batterie herstellten. Die Spule wurde aus einem ~1m langen beschichteten Kupferdraht gewickelt, dessen Enden auf der einen Seite komplett abisoliert und auf der anderen nur auf einer Linie entlang des Drahtes entschichtet wurden. Diese Linie musste so gewählt werden, dass sie die Spule genau dann über die Träger mit der Batterie verbindet, wenn sie leicht schräg zum aufgeklebten Magneten positioniert ist. Dann ist der Zeitpunkt ideal, um das Magnetfeld einzuschalten, damit die Spule eine Drehung bewerkstelligen kann. Der Bau dieses Motors zog sich über drei Veranstaltungen hin. Schwierigkeiten hatten die Schüler*innen besonders mit dem Wickeln der Spulen. Wir waren allerdings überrascht über den starken Willen der Kinder. Sie hatten großen Spaß daran, ihren Motor zum Laufen zu bringen. Beim Bau der Motoren orientierten wir uns an folgendem Aufbau: 1,5 Volt Elektromotor Bauanleitung Erklärung - YouTube
Elektroschrott und Roboter (11)
Wir hatten durch die Bristle-Bots bereits Recycling zum Thema gemacht. Aber bisher fehlte eine explizite Problematisierung. Daher entschieden wir uns dafür, Elektroschrott zum Thema der Vorbereitung auf die Robotik bzw. das Programmieren zu machen. Dazu Fragten wir eingangs die Schülerinnen, wie sie Zuhause mit unliebsamen oder kaputten Elektrogeräten umgehen. Die Schülerinnen erzählten uns gerne von ihren Erfahrungen. Anschließend zeigten wir Bilder von Elektroschrotthalden bzw. auch von solchen, wo Kinder ihren Lebensunterhalt durch die Sortierung von Kabeln etc. verdienen. Im Zuge dessen diskutierten wir mit den Schülerinnen diese Situation und machten die schwere Recyclebarkeit von Elektroschrott zum Thema. Um den Schülerinnen klar zu machen, wie schwer es ist, Elektroschrott aus anderem Müll maschinell zu sortieren und gleichzeitig algorithmisches Denken erfahrbar zu machen, hatten wir uns folgendes Setting überlegt: Auf einem Tisch wurde Elektroschrott und normaler Müll (Flaschen, Plastikteile, Holz etc.) ausgebreitet. Die Schülerinnen sollten sich dann in Paaren zusammenfinden. Einer bekam die Rolle des „Programmierers“ und eine andere des „Roboters“. Der „Roboter“ bekam die Augen verbunden. Der „Programmierer“ hatte nun die Aufgabe, anhand im Vorhinein festgelegter Befehle, wie nach vorne gehen, drehen, Hand hoch, Hand runter etc., den Roboter anzuweisen, Elektroschrott aus dem Müll zu einem anderen Tisch zu transportieren. Um klar zu machen, was als Elektroschrott verstanden wird, hatten wir vorher mit den Schülerinnen den Müll begutachtet. Das Spiel klappte sehr gut. Wichtig war immer darauf hinzuweisen, wenn die Schüler*innen statt der Befehle Alltagssprache nutzten oder auf das menschliche Verständnis setzten.
Robotik (12-14)
Das letzte und für die Schülerinnen anspruchsvollste Projekt war der Bau von analogen Robotern, sogenannten BEAM-Robotern. Wir orientierten uns dabei an einer Bauanleitung aus dem Magazin „Make:“. Diese Roboter bestehen aus wenigen Bauteilen, die leicht miteinander verbunden werden können. Das Verhalten der Geräte ist aber recht beeindruckend, da ihr Aufbau biologischen Neuronen nachempfunden ist. Bei diesem Projekt hatten wir Material für jeden Schüler und jede Schülerin. Allerdings gestaltete sich der Aufbau der Roboter schwieriger, als gedacht: Es erforderte ein gewisses Abstraktionsvermögen, sich die Teile im „Raum“ sowie ihre spätere Anordnung zueinander vorzustellen. So kamen die Schülerinnen an ihre Grenzen und wir mussten oft Hilfestellung leisten. Wir machten Schritte vor, die die Schülerinnen dann versuchen konnten nachzumachen. Am Ende hatten leider nur drei von mehr als 15 Schülerinnen einen fertigen Roboter, was in erster Linie daran lag, dass wir sie nicht löten lassen durften (denn das ist die Hauptaufgabe bei diesem Projekt). So mussten alle durch den Flaschenhals der Betreuer. Mit mehr Zeit und weniger Schüler*innen (sowie der Möglichkeit, die Kinder auch den Lötkolben benutzen lassen zu dürfen) wäre dieses letzte Projekt besser gelaufen. Einer unser BEAM-Roboter in Aktion
Erfahrungen
Keiner von uns hatte pädagogische Vorerfahrung. So mussten wir uns die Vorbereitung und Durchführung des Workshops ertasten. Insbesondere am Anfang neigten wir noch dazu, Sachverhalte zu erklären. Das funktionierte allerdings nie. Die Schülerinnen hörten uns keine zwei Minuten zu, weswegen wir theoretische Aspekte versuchten erfahrbar zu machen. Das klappte immer besser. Allerdings hatten wir in der Regel nicht genug Material, weswegen wir immer Gruppen bilden ließen (das schien für uns auch aus pädagogischer Sicht Sinn zu machen). Leider stritten sich die Schülerinnen dann oft darum, wer was machen darf. Auch kamen oft Gruppen von Schülerinnen zusammen, die sich nicht mochten. Für uns war es eine große Herausforderung, diese Spannungen abzufangen und ein gemeinsames Arbeiten zu fördern. Dass Gruppenarbeit problematisch ist, zeigte sich explizit, als die Motoren gebaut wurden. Denn plötzlich waren die Schülerinnen konzentriert, da sie ihr eigenes Objekt gestalten sowie zeigen konnten und sich nicht abstimmen mussten. Überrascht wurden wir von der Schwierigkeit, die Kreativität und Eigenverantwortung der Schüler*innen anzuregen. Sobald wir eine Aufgabe offener kommunizierten, kam Ratlosigkeit auf und Kommentare wie: „Was soll’n wir denn jetzt machen?“ Das veranlasste uns dazu, genauere Vorgaben zu machen. Wie dann aber ein projektoffener Unterricht gestaltet werden kann, der individuelle Entfaltungsmöglichkeiten ermöglicht, ist uns nicht klar. Wenn es da Tipps oder andere Erfahrungen gibt, freuen wir uns auf Post!